Stimme und ihre Einschränkungen
Die Stimme ist unser eigenes Instrument. Mit ihr drücken wir uns aus. Sie ist eines unserer Erkennungsmerkmale. Mit ihrem Klang wirken wir – freundlich, offen, abweisend, überheblich, klar, unsicher, kraftvoll, aggressiv, beweglich, lebendig, überzeugend, dominant, authentisch, künstlich.
Allein in der Vielfalt der Wirkung werden die vielseitigen Dimensionen der Stimme deutlich. Was passiert, wenn nun die Stimme eingeschränkt ist, der Klang heiser, die Stimmgebung anstrengend, die Lautstärke nicht zu steigern ist? Unser natürlichstes Instrument steht nicht mehr zur Verfügung – am Arbeitsplatz, oder in ganz alltäglichen Gesprächssituationen zu Hause, am Telefon, beim Singen, aber auch in größeren Gruppen oder anderen Situationen, in denen auch ein hoher Geräuschpegel vorherrscht.
Häufig resultiert daraus, dass die Kommunikation nur noch eingeschränkt möglich ist. Dies ist besonders für diejenigen eine große Beeinträchtigung, die beruflich viel sprechen müssen z.B. Erzieher*innen, Lehrer*innen, Schauspieler*innen, Mitarbeiter*innen im Call-Center, Pfarrer*innen, Verkäufer*innen. Je nach Ausmaß der stimmlichen Einschränkung ist so auch das Arbeiten nicht möglich. Im privaten Bereich führen Stimmstörungen häufig zu einem Rückzug aus gewohnten Kommunikationssituationen, mitunter auch zu einem sozialen Rückzug.
Einschränkungen der Stimmfunktion zeigen sich auch beim Singen. Der Stimmumfang, also die Höhe oder Tiefe, kann beschränkt sein, der Stimmklang heiser, resonanzarm, wenig tragfähig und von Anstrengung gekennzeichnet. Es fällt den Singenden schwer die Lautstärke zu differenzieren, das Piano ist erschwert, oder aber die Stimme ist nicht in das Forte zu steigern. Je nachdem wie geschult die Stimme ist, können Probleme beim Registerübergang entstehen – die Koordination und Spannungsregulation der Stimmlippen ist hierbei erschwert. Dies alles führt dazu, dass ein ausdrucksvolles und freies Singen nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Je nachdem, welchen Stellenwert das Singen hat, kann das für die Betroffenen eine große Beeinträchtigung darstellen.

Stimmtherapie – funktionales Behandlungskonzept
Funktionales stimmtherapeutisches Arbeiten ist körper-, klang- und registerorientiert.
Körperliche Zusammenhänge werden dabei gezielt genutzt. Dies wird zum einen mit spezifischen Bewegungen erreicht, die während den Stimmübungen ausgeführt werden. Durch die Bewegungen soll die Stimmfunktion zielgerichtet stimuliert und unterstützt werden. Körperbezogene Stimmarbeit ist zum anderen auch immer Arbeit an der Körperhaltung, denn die Stimmfunktion ist in hohem Maße abhängig von der Art und Weise, wie wir uns körperlich halten und aufrichten. In der Verbindung von Stimmübungen mit gleichzeitiger Bewegungs- und Haltungsarbeit kann sich das Stimmgebungsmuster regulieren, entwickeln und durch Wiederholungen trainiert und stabilisiert werden. Die Schulung der Wahrnehmung für diese Zusammenhänge, aber auch körperliche und stimmliche Bewegungsmuster ermöglicht ein bewusstes Ansteuern günstiger und effizienter Einstellungen.
Daneben können auch manuelle Behandlungstechniken (Elemente weicher osteopathischer Techniken) effektiv und unterstützend mit Stimmarbeit verbunden werden. Körperliche Spannungsbereiche, die eine freie Stimmgebung erschweren, werden hierbei manuell behandelt (z.B. Kiefermuskulatur). Ihre Entspannung kann zu einer verbesserten Beweglichkeit der Kehlkopfstrukturen und Öffnung der Resonanzräume führen (siehe hierzu manuelle Körpertherapie).
Klangorientiertes Arbeiten nutzt Rückkopplungseffekte und Klangfokussierung. Die Resonanzräume werden zielgerichtet angesprochen. Dadurch kann insbesondere die Randfunktion und Kopfresonanz entwickelt werden. Dies stellt einen wichtigen Schritt hinsichtlich Regeneration und Regulation der Stimmfunktion dar.
Die Stimmfunktion lässt sich in Sprech- und Singstimmfunktion aufteilen. Diese beiden Stimmmodalitäten stehen in Beziehung und lassen sich auch in Bezug auf Beschwerden nicht voneinander trennen. Der Umfang der Stimme definiert, wie hoch (Kopfregister) und wie tief (Brustregister) wir singen können und wie ausgewogen diese Register klingen. Registerorientiertes Arbeiten ist hinsichtlich der Arbeit an der Singstimme unerlässlich. Dadurch soll in spezifischer Vorgehensweise die Brust- und Kopfregisterfunktion entwickelt werden: mit einem möglichst balancierten und koordinierten Registerausgleich und einer möglichst freien und mühelosen Steuerung sowohl der Höhe, als auch der Tiefe.
Ziel der Therapie ist es, die in eine Dysbalance geratene Stimmfunktion wieder so zu entwickeln, dass sich die Schwingungs- und Schlussfähigkeit der Stimmlippen möglichst vollständig reguliert, bzw. verbessert. Dadurch kann sich der Stimmklang verbessern, die Stimme an Belastbarkeit und Ausdauer gewinnen, sich Anstrengung beim Sprechen reduzieren, der Stimmumfang erweitern und die Stimme wieder zu Ausdrucksfähigkeit gelangen.
Stimmarbeit ist immer als Entwicklungsprozess zu verstehen. Der Stimmklang entwickelt sich, ebenso die Ausdrucksfähigkeit. In diesem Entwicklungsprozess sind meist auch personale Prozesse eingebettet. Denn die Arbeit an der Stimme bringt uns immer auch in Kontakt mit eigenen Mustern, Gewohnheiten, Themen und Ausdrucksformen.

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